Den kommenden Nachmittag brechen wir dann aus Latacunga in Richtung Tena auf. Tena ist unsere Zwischenstation auf unserem Ziel fernab der Zivilisation, wie uns gleich zu Beginn unserer Reise in Quito ein sehr redseliger Taxifahrer versicherte. Zwar gepraegt , jedoch nicht ueberzeugt von der Einschatzung sitzen wir erwartungsvoll im Bus und schauen aus dem Fester, hinter dem sich das uns inzwischen sehr vertraute Andenpanorama abzeichnet. Je laenger wir fahren, desto mehr veraendert sich unsere Aussicht jedoch. Aus dem trockenen gelb des sandigen Altiplano blinzelt hier und da mit der Zeit immer haufiger das satte gruen von Bananen, Guayabas und Cocos Baumen bzw. Palmen. Doch auch wenn es langsam gruent, befinden wir uns doch noch in den Anden, eindeutig an dem klaffenden Abgrund zur Rechten des Busses zu erkennen. Dort unten waelzt sich ein gewaltiger Amazonas-Zustrom gen Osten, gespeist von unzaehligen grossen und kleinen, aber allesamt hohen Wasserfaellen, die einfach ueber die teil jaeh abfallenden Klippen rauschen. Ein solcher Anlbick waere allein schon die Reise wert gewesen und ist doch nur unser Anfahrtsweg - wahnsinn! Eine aehnlich spektakulaere Talfahrt macht auch die Strasse von Latacunga ueber Baños und Puyo mit. Somit kommen wir in Tena auf nur noch 500m Hoehe (statt 2.800 heute Morgen) in einer voellig anderen Welt an. Endlich ist es warm! So war, dass wir im kurzarm-T-Shirt auf unserer Camionetta vom Busbahnhof in Tena bis zum Hostel fahren koennen.
In dieser Nacht wohnen wir in der Casa del Abuelo, zwar nicht dem guenstigsten aber dafuer einem sehr komfortablen Hostel mit zwei grossen Doppelbetten, Ventilatoren, Balkon, eigenem Bad und Internetbenutzung - ein Standard, der es mit dem Mariott in Atlanta durchaus aufnehmen kann, mit 14$ pro Person aber grade ein Viertel dessen kostet. Wir verharren aber nicht lange in unserm Zimmerchen, denn Tena ruft. Wir laufen ueber eine kleine Fussgaengerbruecke, unter der sich der Rio Pano und Rio Tena vereinen, an die Promenade der Stadt und die wohlihe Waerme fuehlt sich endlich an wie Urlaub:) Wir ziehen also ein wenig von Lokal zu Lokal, essen (relativ teure) Pizza, trinken (nach wie vor wahnsinnig billige) Jugos und versacken schliesslich bei diversen Cuba Libre, einem Schlummerbierchen, Herbert Groenemeyer und mit unserem neuen Bekannten Juergen (gebuertiger Duisburger; auf Spanisch ein sehr schwieriger Name, gesprochen "Chuerchén" mit zwei harten "ch" wie in "Jochen"), dem das Lokal gehoert, im El Vagabundo, einer Deutschen Auswandererbar mit Kaesespaetzle auf der Speisekarte.

Etwas spaeter als ursprueglich geplant erstehen wir am naechsten Morgen und machen uns in sengender Hitze (zuminmdest empfinde ich (Stephie) das so) auf nach Ahuano. Diesesmal steht unser Bus jedoch nicht direkt abfahrbereit und wir wissen auch nicht genau wo wir hin muessen. Als wir ihn dann finden, ist bereits 13.00 Uhr und die Schule in Tena hat aus. Zum Glueck sitzen wir als erste im Bus, denn danach bekommt man kein Bein mehr an den Boden. Die Kinder stapeln sich in jedem freien Winkel des Busses.

In der wilden Entschlossenheit, uns DIESMAL nichts stehlen zu lassen, druecken wir in wilder Umarmung unsere Habseligkeiten an uns. Die gut ausgebaute Strasse nach Ahuano fuehte ueber Bananenplantagen, vorbei an kleinen, aus Brettern notdueftig gezimmerten Haeuschen und einem noch nicht in Betrieb genommenen, neuen internationalen Flughafen (was braeuchte man hier auch sonst?) vorbei bis an den Río Napo, wo die Strasse jaeh endet und es nur mit der rostigen Faehre oder einem der etlichen Kanus weitergeht. Letzteres trifft auch auf uns zu, denn wir werden bereits von Luiz, unserem Quitchua-Gastgeber fuer die nachsten 4 Tage, erwartet, begruesst und anschliessend mitsamt unseres Gepaecks eine kurze Strecke Flussabwaerts und uebergesetzt. Und damit geht unser Dschungel-Abenteuer erst los.....
Am Krater von Quilotoa erzaehlte man uns eine Geschichte - drei Junge aus dem Oesterreich erzaehlten von einem Orte mitten im Urwald, an den Ufern des Río Napo, zu erreichen nur mit dem Boot, an dem man Ameisen verspeise und, die Machete in der Hand, den Dschungel erkunde. An diesem Orte lebe Carmen, eine Ex(il)berlinerin und betreibe ein Hostel. Um es kurz zu machen: Wir fanden all dies und noch viel mehr bestaetigt. Tatsaechlich begruesste uns Carmen bereits am Abend unserer Ankunft mit einer Schuessel lebender, grosser, gefluegelter Ameisen (und ich meine ¡wirklich gross!) und der Anleitung, wie zunaechst die Fluegel, dann der Kopf und die Beine zu entfernen seien, um anschliessend die Tiere in der Pfanne zu roesten. Nach etwa 20 Minuten hat Stephie eine Ameise vollstaendig und eigenhaendig zur Strecke gebracht, ich hingegen nur den Koerper eines bereits verschiedenen Exemplars gefleddert und sehe traurig meinem jetzt fluegellosen Beinahe-Opfer mitleidig zu, wie es apathisch neben der Metallschuessel steht, in der seine (oder ihre?) saemtlichen Artgenossen, von Carmen in Windeseile fachfrauelich gerupft) der brunzelnden Pfanne harren. Nur schwer kann ich mich davon abhalten, Ameise X (der letzten ihrer Art, zumindest auf diesem Tische) einen Namen zu geben und schenke ihr stattdessen die Freiheit. Die fertigen Ameisen sind jedoch erfreulich kross und schmecken hervorragend als Beilage zum Abendessen.

In unseren Bettlaken gehuellt (ja, mehr braucht es hier nicht - endlich :-) sinken wir im ersten Stock des ueberwiegend aus Holz und selbstverstaendlich von Hand gebauten, palmblattgedeckten Hauses in den Schlaf, ringsum die Geraeusche des Urwaldes - so haben wir uns das vorgestellt.
Nach einer herrlich erholsamen Nacht in unseren mit Moskitonetzen ueberhangenen Betten werden wir am naechsten Morgen sehr frueh geweckt..unsere Dschungeltour ruft:)
Luiz ist schon frueher aufgestanden als wir und steht, als wir langsam zum Fruehstuck schleichen, schon in voller Montur (gelbe Gummistiefel, lange Hose, T Shirt, Kaeppi und Machete) am Eingang und drueckt uns unsere Ausstattung in die Hand. Wir sollen eine lange Hose tragen, die in die Socken wickeln und Gummistiefel drueber ziehen, damit keine Tiere in die Hosenbeine krabbeln; ausserdem gehoert eine Muetze auf dem Kopf, damit sich keine kleinen Zecken oder Maden auf die Kopfhaut setzen und ihre Hoehlen bauen. Und das wollen wir ja nicht:)
Unser Weg beginnt im Kanu von Luiz, der uns bei wunderschoener Morgensonne bis zum Wald fahrt. Begleitet werden wir neben Luiz noch von Tex, seinem und Carmens, gigantischem schwarzen Labrador-Schaeferhund Mischling (glaube ich), einer Seele von Hund, der, sobald er festen Boden betreten hat, kein Halten mehr kennt. Der Versuch Tex Tempo zu halten scheitert schnell, denn wir koennen uns zwischen den am Boden liegenden Baeumen, Straeuchern und Steinen lange nicht so flink bewegen und folgen stattdessen, eher gemaechlich, Luiz, der uns einen kleinen Weg mit seiner Machete bahnt. Nachdem wir den Sekundaerwald am Ufer des Flusses (in dem Familien Juka, Bananen, Kaffee und Kakao anbauen) hinter uns gelassen haben, betreten wir ein wunderschoenes Fleckchen Primaerwald. Faszinierende Pflanzen, Insekten, Voegel und anderes Getier lassen nicht lange auf sich warten und wir schliessen schnell Freundschaft mit einem kleinen Pfeilgiftfrosch, einer giftigen Raupenlarve und vielen schillernden Schmetterlingen.
Doch nicht nur die Tiere sind bunter, die Baeume sind auch hoeher

und man bekommt den Eindruck, dass wirklich jede Pflanze irgendeine faszinierende Funktion hat. An einigen Baumen bauen Termiten ihre Bauten, in anderen Pflanzen leben kleine Ameisen, die herrlich nach Limone schmeckte, aus einigen Lianen kann man hoelzern schmeckendes Wasser trinken, an anderen kann man tarzangleich (wenn man stark genug ist um sich fest zu halten) durch den Urwald schwingen. Zumindest theoretisch..wenn nichts im Weg steht. Da ich (Stephie) nicht in der Lage war mich an der Liane fest zu halten, kam ich nicht in die prekaere Situation so weit zu schwingen, dass mir irgendwas im Weg stehen koennte, Nikoli hingegen schon:)
Luiz hat sich des Problems dann jedoch fachmaennisch angenommen und mit einem kleinen Holzkeilchen die Palme wieder aufgerichtet. Und dann sind wir schnell gegangen um nicht zu sehen ob sie nochmal kippt:)
Ueberhaupt lebt Luiz den Wald - das merkt man bei jedem Schritt. Etliche Male bleibt er an Pflanzen stehen und erklaert, wozu diese in der Quichua-Kultur dienen: Als Nahrungsmittel, Heilmitte gegen alle moeglichen Gebrechen, fuer rituelle Zeremonien, zur Herstellung von Kleidern und teilweise auch zum reinen Amusement. Dann wieder greift er sich ein Blatt und imitiert den Schrei eines Vogels, der daraufhin tatsaechlich auftaucht und mit ihm ein Zwigespraech haelt.
Nachdem unsere Tour uns quer durch den Wald und auch durch ein kleines Quichua-Dorf gefuehrt hat, halten wir unsere verdiente Rast an einem Wasserfall. Als wir wieder unterwegs sind, zeigen die Feuchttropen, das sie ihren Namen zurecht tragen. Doch da wir eh schon durchgeschwitzt sind, verdirbt uns das die Laune nicht, zumal Luiz uns mit schicken Palm-Regenschirmen ausstattet. Stephie versieht ihre Hose noch mit einem modischen Schlammstreifen und nach gerade mal 2 Stunden Wartezeit kommt dann auch die "bestellte" Camionetta. Zusammen mit Tex und 13 anderen Personen machen wir es uns auf der Ladeflaeche "bequem" (der Fahrgastraum ist bereits voll besetzt) - die raeumliche Enge verhindert leider das Fotographieren.
Auch die naechsten Tage verlaufen abwechslungsreich, beispielsweise mit einem Besuch diverser Quichua-Kultur"museen" in denen wir Jagdfallen besichtigen, der Herstellung Keramik und von Chicha beiwohnen. Letzteres ist ein Fermentationsgetraenk auf Basis von Yucca, einer Kartoffelaehnlichen Wurzelknolle, das wir auch selbst probieren. Komplettiert wird die Djungle-Experience durch den Besuch einer Auswilderungsstation konfiszierter Tiere, einer Schmetterlingsfarm, eine ausgedehnte Kanufahrt, eine Kurzunterweisung im Goldwaschen (es gibt zurzeit einen regerlrechten Amazonas-Goldrausch)
und einen "Urwaldeinkauf" bei dem wir zwei Stauden Bananen, ein paar Yucca-Knollen, frische Palmherzen mitbringen ... und eine weitere, besondere Delikatesse: Den Maden einer Skarrabaeus-Art, die im Stamm der selben Palme gedeihen, der wir die Palmherzen zu verdanken haben. Abends werden die Maden von uns eigenhaendig ausgenommen, in Palmblaetter gewickelt und im offenen Feuer gegart. Die Meinungen ueber den Proteinreichen Snack sind geteilt...
vorher:

nachher:
Auch das Haus hat vieles an Attraktionen zu bieten, hier seien nur die Schildkroete und die Boas erwaehnt:
So geht nach 4 Naechten eine sehr erlebnisreiche Zeit im Regenwald zuende und wir tasten uns zaghaft wieder an die Zivilisation heran, indem wir zurueck nach Tena fahren. Tena wird im Lonely Planet als die "Wildwasserhauptstadt Ecuadors" bezeichnet (auch Chuerchén ist als Wildwasserfreund hier gestrandet) und folgerichtig verbringen wir den naechsten Tag wieder auf einem fantastischen Fluss, der uns mitten durch den Regenwald fuehrt, diesmal allerdings nicht im Kanu sondern im Raft. An unserer Seite: 2 ecuadorianische Guías (scheinbar haben sich keine anderen Touris gefunden), von denen der eine nicht viel Preis gibt und der andere permanent und unter vollem Koerpereinsatz an seiner eigens zu diesem Zwecke mitgebrachten Damenbekanntschaft herumgraebt, dass die Paddel krachen. Gelegentlich laesst er Appetithaeppchen aus seinem kongenialen, weltmaennischen Deutsch-Sprachschatz aufblitzen ("Scheisse") um anschliessend langwierig seiner Begleitung seine eigenen Witze zu erklaeren. Dennoch hat er scheinbar Erfolg - und wir trotzdem unseren Spass. Abends am Stammtisch im Vagabundo gibt es ... Semmelknoedel mit Rotkohl und Sauerbraten. Eine Idee, die wir noch vor unserer Reise mit ihm ausgeheckt haben. Gemeinsam mit dem Multifunktionskellner Juan-Carlos (der uns heute morgen noch im Café Tortuga unser Fruehstueck serviert hat) verbringen wir einen schoenen Abend. Chuerchén ist nach dem Genuss hausgebrauten Bieres leider indisponiert und schlaeft vorm Restaurant in seinem Jeep. Am naechsten Morgen geht es frueh zum Busterminal und dann weiter, bzw zurueck nach Baños. Unsere bisherigen 2 1/2 Wochen haben uns ein wenig daran zweifeln lassen, dass wir zu den "most adventurous travelern" gehoeren, denen der zaehe und unkonfortable Fluss-Weg ueber Coca und Iquitos nach Peru vorbestimmt ist. Und ueberhaupt ist die Weichevariante viel besser planbar. Und jetzt wird es Zeit, Kilometer zu fressen... :-)